Porsche 911 GT3 RS: Flügel-Action mit 525 PS (2024)

Der GT3 bekommt einen großen Bruder. So steht es geschrieben im Intro des Pressetexts. Wenn Sie mich fragen, klingt das jedoch etwas arg verharmlosend bei einem Auto, das dir eher wie seine böse Stiefmutter gegenübertritt: am Heck das Mega-Leitwerk und in dessen Schatten eine turbobreite Karosserie, die von der Suche nach Performance zerfressen ist. Besessen vielleicht sogar.

Für eine historische Herleitung der wildesten Elfer-Mutation bleibt kein Platz. Reduzieren wir’s also auf die traditionelle Feststellung: Der siebte GT3 RS ist wieder der extremste, wieder der schnellste, wieder der beste. Wie er das anstellt? Das ist die Frage, die sich jeder stellt, der seinen, na ja, kleinen Bruder kennt, der, wie die Motorjournaille einst unisono beschwor, ja unmöglich zu toppen sei.

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Stärkster GT3, aber keine 300 km/h

Wie jeder Erfolg ging auch dieser nicht ohne Opfer vonstatten. Das prominenteste: der Bug-Kofferraum. Sein Stammplatz ist von einem Mittenkühler nach dem Vorbild der GT-Rennwagen eingenommen. So entsteht Bauraum für Flügelelemente im Bugbereich, die ein wesentlicher Teil des Aerodynamik-Konzeptes sind – alias die Hauptzutat des Geheimnisses, wie sich herausstellen wird. Aber auch hier: Opfer. Denn das stärkste GT3-Modell der Geschichte ist gleichzeitig das erste, das vor der 300-km/h-Marke kapituliert. Eine Tatsache, die man entweder als konsequent oder als Preis für das eiserne Festhalten am Saugmotor bezeichnen darf.

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Rossen Gargolov

Was nen Flügel!

So oder so: Als Gegenleistung gibt es Abtrieb. Massenweise Abtrieb. Bei 200 km/h erreicht er einen Gegenwert von 409 Kilogramm – rund dreimal so viel wie beim aktuellen GT3. Hauptverantwortlich dafür ist – unübersehbar – der mächtige Schwanenhals-Heckflügel, der erstmals über das Dach hinausragt und damit genauso sinnbildend für den Weitgriff der Performance-Maßnahmen ist wie die Sideblades oder die Einzüge in der Karosserie. Zusammen mit den vorderen Kotflügel-Entlüftungen reduzieren sie den Staudruck im Radkasten, was den Aero-Effekt ebenso steigert wie der vollverkleidete Unterboden, der Frontsplitter und die vorderen, als Tropfenprofile ausgeführten Fahrwerksteile.

Geheimzutat? Aktiv-Aero

Entscheidend ist aber vor allem: Die Aero ist kein starres Konstrukt, sondern tatsächlich dynamisch. Das obere Heckflügelelement (hydraulisch) arbeitet aktiv mit den Bugspoilern (elektromechanisch) gegenüber zusammen. Die Steuerung erfolgt stufenlos, blitzartig und in Abhängigkeit von Fahrmodus respektive -situation. In extremen Bereichen wird der Abtrieb auf das Niveau der Reifentraglast begrenzt, ansonsten gilt das alte Motto: Viel hilft viel. Beim Anbremsen recken sich sämtliche Flügel zugunsten eines Airbrake-Effekts in den Wind, geradeaus schalten sie nach dem DRS-Prinzip auf Durchzug. Automatisch oder per Tastendruck.

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Rossen Gargolov

Aktiv-Aero zum Zuschauen.

Überhaupt: Schalten ist das Schlagwort. Zwar nicht im getriebetechnischen Sinn, da wie bei jedem RS-Modell inzwischen das PDK zum Serienumfang gehört – hier mit kürzerer Gesamtübersetzung und Extra-Kühlung. Nein, schalten lassen sich neben ESC und Fahrmodi nun auch das Fahrwerks-Set-up, die Hinterachssperre sowie die Traktionskontrolle, weswegen sich nun insgesamt vier Dreh-Drück-Steller am Hupenknopf des Lenkrads tummeln.

Türen aus Kohlefaser – mit Bügelgriff

Und damit ein herzliches "Grüß Göttle" aus dem co*ckpit, das im Vergleich zur zerfleischten Außenhaut etwas sehr zivil daherkommt. Sorry, aber die Kathedrale der Fahrdynamik wohnt sich ein bisschen wie ein Musterhaus – Türöffner-Schlaufen hin, Schalensitze her. Dafür hat es sich die GT-Abteilung zur Aufgabe gemacht, den Ergonomie-Unfug des 992 zu eliminieren. Und ich denke, wir dürfen Vollzug vermelden. Den Ritsch-Ratsch-Wählhebel fürs Getriebe, der den läppischen Kippschalter ersetzt, kennen wir ebenso bereits aus dem normalen GT3 wie die mittelbündige Instrumentengrafik im Track-Programm. Als erster 911 der aktuellen Generation verfügt der RS nun auch über – Trommelwirbel! – Bügel- statt Klapptürgriffe, an denen, nebenbei bemerkt, Türen aus Kohlefaser hängen.

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Rossen Gargolov

In engen Ecken finden die Semis kaum Halt, in schnellen werden sie über den Aero-Effekt in den schmierigen Boden gestampft.

Was sagen Sie da? Wir würden um das Wesentliche herumdrucksen? Um das Fahren? Wiiiir? Na schön, erwischt, der Puls ist tatsächlich unangenehm hoch. Zwar ist von einem GT3 RS nicht weniger zu erwarten als allerhöchste Präzision. Außerdem wurde der Grip nicht nur aerodynamisch, sondern auch auf der mechanischen Seite noch mal derart verbreitert (275er-Vorder-/335er-Hinterreifen!), dass man sich scherzhaft fragt, ob man mit den 465 Nm überhaupt noch von der Stelle kommt. Soll sagen: Es bestünde berechtigte Hoffnung, dass die Stiefmutter so böse gar nicht fährt, wie sie aussieht. Jedoch findet die Präsentationsgaudi in Silverstone statt, wo es im September eben schon mal regnet. Zur Fotosession noch nicht, danach dafür oft und ordentlich.

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Na ja, jedenfalls pumpert das Herzerl gehörig, als der Vierliter mit einem dumpfen Schrei erwacht und der RS in der Gischt des Vorausautos auf die Strecke brodelt. Bis sich die serienmäßigen Michelin Cup 2 warm gerubbelt haben, noch zwei Informationen für den anstehenden Blindflug: Zum einen entlockt sich der Hochdrehzahlboxer über schärfere Nockenwellen und eine strömungsoptimierte Einzeldrosselanlage nun 525 PS – 15 mehr als der "kleine Bruder". Zum anderen wiegt der RS dank des exzessiven CFK-Einsatzes 1.450 Kilo. Porsche schreibt noch das Wörtchen "nur" dazu, was sich angesichts des 15 Kilo leichteren Standard-GT3 zunächst seltsam liest. Andersrum: das viele Geflügel samt Steuerungsmechanismen, die gewachsenen Raddimensionen. Wie sagt man? Von nix kommt nix!

Kühnste Vorstellung mal 4.0

Top-Form erreicht man weiterhin nur mithilfe des Weissach-Pakets für 35.992 Euro. Dessen CFK-Überrollbügel spart sechs Kilo gegenüber dem Titan-Pendant aus dem (aufpreisfreien) Clubsport-Paket, die Magnesiumräder bringen in Summe noch mal deren acht. Und apropos Weissach-RS: Hier sind nicht nur diverse Sichtcarbon-Karosserieteile, kohlefaserne Stabis und Koppelstangen inbegriffen, sondern auch spezielle Schalt-Paddles mit Magnet-Aktuator nach Motorsport-Vorbild. Eine Kleinigkeit? Vermeintlich. Denn die Wirkung ist enorm: Der definierte Druckpunkt stellt eine imaginäre Verbindung zu den Zahnrädern her, das metallische Klicken veredelt den Kurz-und-schmerzlos-Schaltvorgang zu einem sinnlichen Akt.

Und der schaukelt sich nun langsam, aber sicher an der heroischen Kulisse hoch: Ein Gang gibt den nächsten, die Drehzahlbänder klatschen durch die geraffte Übersetzung noch zackiger aneinander, klack, brumm, und schon wird man mit bis zu 9.000 Touren in einen feuchten Rennsporttraum hineingerissen. Hat hier vorhin irgendjemand über mangelnde Emotionalität im co*ckpit gemeckert? Falls ja, möchten wir uns für den Kollegen entschuldigen, zumal im Musterhaus spätestens jetzt die Wände wackeln. Röhren, Prasseln, Sägen – zum Heulen großartig und im Gegensatz zum Geplärre eines Cayman GT4 RS auf Dauer auch nicht so zermürbend.

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Fahrgefühl generell? Was soll ich sagen? So trocken wie Klangkulisse und Reaktionsvermögen – auch bei Nässe. Und damit: schwer zu beschreiben, wenn man den Ausgangspunkt nicht kennt. Wer sich angesprochen fühlt, multipliziert seine kühnste Vorstellung mit vierpunktnull, damit sollte man dann grob da rauskommen, wo die Fahnenstange des RS beginnt.

Handling einstellbar

GT3-Kenner müssten sich bitte den Gap zwischen Aktion und Reaktion wegdenken, was insofern schwierig wird, als der bislang wahrscheinlich niemandem aufgefallen ist. Aber glauben Sie mir: Er muss da gewesen sein, denn der RS zieht die Befehlskette nun noch mal straff. Das Einlenkverhalten, das auch hier über die Hinterachslenkung nachjustiert (manche sagen: manipuliert) wird, bekommt mehr Drive; im Kurvenverlauf steigert die um 15 Prozent angezogene Federhärte die Körperspannung; das Bremsen profitiert nicht nur von der Luftunterstützung, sondern auch von einem tieferen Anlenkpunkt der unteren Querlenker, mit dem sich das Einnicken gegenüber dem GT3 auf die Hälfte reduziert.

Zudem hat man nun eben die Möglichkeit, sich das Handling über die Lenkrad-Rädle zurechtzuschneiden – auf den persönlichen Geschmack, auf die Streckencharakteristik oder im konkreten Fall auf das, was man sich auf einer der schnellsten F1-Strecken im Regen zutrauen kann. Stabilitäts- und Traktionskontrolle bleiben besser in erhöhter Alarmbereitschaft, nur um sicherzugehen, dass wir das mindestens 230.112 Euro teure Gerät nachher nicht irgendwo zwischen Maggotts und Becketts zusammenfegen müssen. Auch die Druckstufe der Dämpfer verharrt auf der Softie-Stellung, damit sich die Querbeschleunigung nicht in Gänze auf die Reifen entlädt, die den glitschigen Boden ja so schon kaum zu fassen kriegen. Ohne Flachs: Die Hot Laps gleichen einem Eistanz auf High Heels. Nirgendwo ist Grip, und wenn man dann doch mal welchen aufgestöbert zu haben glaubt, ist er auch schon wieder futsch.

Reifentemperaturanzeige im co*ckpit

Mit der Reifentemperatur, die sich fortan übrigens im Infodisplay anzeigen lässt, wächst aber auch das Verständnis für die Funktionalität. Ein habhafter Hebel ist die Verstelloption des aktiven Diffs, die sich in "Coast" und "Power" unterteilt, also in die Sperrwirkung im Schiebebetrieb und unter Last. In der zahmen Einstellung fährt der GT3 RS tendenziell auf der Vorderachse, bleibt fromm, kommt aber nicht so recht ins Eck. Ergo: Coast-Regler zurückgedreht, und schwuppdiwupp ist das Einlenkverhalten wie angespitzt, man giert um die Hochachse in den Kurvenverlauf, steht damit früher gerade und schneller wieder voll am Gas.

Ein Spielzeug für Track-Nerds? Genau das, aber halt ein wirksames. Und: längst nicht so abstrakt wie der zweite essenzielle Mechanismus, der die Überlegenheit des GT3 RS am Ende sogar auf den nassen Boden bringt. Er nennt sich Abtrieb und ist allen, die bis hierher gelesen haben, im Grundprinzip sicherlich bekannt. Weit komplexer: ihn zu nutzen, vor allem wenn’s duscht. Gut, in engen Ecken ist mit ihm wenig anzufangen, das liegt in der Natur der Sache. Dort heißt es: Geduld haben, sich reinfühlen in die um 29 Millimeter verbreiterte Vorderachse, spüren, wo die Haftung bröckelt, minimal drunterbleiben, short-shiften, gegenlenken. In den schnellen Passagen ergreift die unsichtbare Macht der Aerodynamik dann aber Besitz vom Fahrverhalten, verankert die Stiefmutter im Luftstrom – und entlarvt sie als gute Hexe: Je höher das Tempo, desto fester presst sich der Elfer auf das schmierige Geläuf. Die Eintrittskarte in die Parallelwelt kostet Überwindung. Doch wenn man sie gezogen hat, löst sich die Gleichung wie von selbst nach RS auf und die Revolution frisst ihren kleinen Bruder.

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Rossen Gargolov

Schlichtes co*ckpit mit gewohnt famosen Sitzschalen und Set-up-Rad-Satz am Lenkrad.

Zu dramatisch? Nein, nicht hier, nicht heute! Denn der Instruktor, der uns soeben noch im Regen stehen ließ, wird mit wachsendem Vertrauen in die übernatürlichen Fähigkeiten zum Gejagten, kämpft unter dem steigenden Druck mit Zuckungen, scheint Haken zu schlagen, um der Übermacht doch noch zu entrinnen. Aber die liegt nun stellenweise wie gedruckt, stellt die Qualität der jeweiligen Fahrer auf den Kopf und verbeißt sich schließlich im Heck des Vorausautos – im Heck des, jetzt kommt’s, kleinen GT3, der hiermit im wahrsten Sinne des Sportes überflügelt ist.

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Na klar. Ein Elfer sollte möglichst rennstreckenfokussiert sein.Nein. Mir gefallen die Allrounder-Versionen besser.

Fazit

Wegen des nassen Wetters kam die mechanische Seite des Grips nicht zum Tragen – die aerodynamische dafür umso mehr. Klar ist jedenfalls eines: Der GT3 RS ist eine Fahrdynamik-Sensation, die trotz der Ernsthaftigkeit ihrer Absichten ein Spielzeug bleibt – den vielen Einstelloptionen für Fahrwerk und Antrieb sei Dank.

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Author: Prof. Nancy Dach

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