Porsche 918 Spyder im Supertest: Der Herr des Rings (2024)

Man kann es als einmalige Chance begreifen und das Ding entspannt und ergebnisoffen angehen. Oder man verkrampft und quält sich mit falschem Ehrgeiz in die Nähe des Verderbens. Mit dem Porsche 918 Spyder auf der Nordschleife: eine konkrete Erwartung im Gepäck und mit mehreren Satellitenempfängern auf dem Dach - auf dass kein Zucken am Lenkrad und keine Zehntelsekunde unregistriert bleibe. Sagen wir es, wie es ist: Das anstehende Pensum ist beängstigend, das Gefühl in der Magengrube im Vorfeld der Ring-Prüfung ein extrem flaues.

Im Porsche 918 Spyder an den Start zu gehen, mit einem Zeitbudget, das sich grob am Rundenrekord von 6.57 min orientiert, ist in etwa so, als verpflichtete man einen älteren Herrn mit langjähriger Privatpiloten-Lizenz, einen Demonstrationsflug im Kampfjet zu absolvieren - Looping, Messerflug und Stallsimulation inklusive. Übertrieben? Nun, die Gefahr eines etwaigen Absturzes oder einer furchtbaren Blamage ist nicht von der Hand zu weisen.

Porsche 918 Spyder im 200. sportauto-Supertest

Aber es hilft nichts. Der 200. Supertest ist anberaumt, noch dazu mit einer Preziose, die laut Porsche in der Tradition von 550 Spyder, Carrera GTS, 911 Turbo, 959, 911 GT1 und des direkten Vorgängers Carrera GT die Zukunft der Sportwagenmarke Porsche beschreibt - und die einen extrem teuer zu stehen kommt: mit dem rund 70.000 Euro teuren Weissach-Paket fast 900.000 Euro. Wenn das mal gut geht.

Der laut Porsche "ultimative Sportwagen seiner Dekade" versammelt auf einer knappen Grundfläche von weniger als fünf mal zwei Metern und einer Höhe von gerade mal 117 Zentimetern so viel Hard- und Software und bringt dabei so viele Analogien und optische Zitate ins Spiel, dass einem angesichts der materiellen und immateriellen Fracht, mit der er beladen wurde, angst und bange werden kann. Nicht umsonst bringt der Porsche 918 Spyder trotz des gewichteinsparenden Weissach-Pakets (minus 40 Kilogramm) 1.642 Kilogramm auf die Waage. Die Erleichterung wird unter anderem mit dem Wegfall der Dämmmaterialien erkauft, was blöderweise eine signifikant höhere Geräuschentwicklung zur Folge hat.

Das Hybridkonzept des 911 GT3 R, mit dem Porsche beim 24h-Rennen 2010 auf dem Ring um ein Haar einen Sensationssieg gelandet hätte, steckt dafür aber ebenso im Porsche 918 Spyder wie der Motor des LMP2-Seriensiegers RS Spyder, der ab 2005 die amerikanische ALMS-Rennserie dominierte.

Hommage an 917, 906 und 935

Das Design schließlich ist eine Hommage an den legendären 917, der ab den beginnenden 1970ern reihenweise Le-Mans-Siege einfuhr. Der 906 aus dem Jahr 1966 wird ebenso zitiert (siehe die umlaufende Abrisskante am Heck) wie der 935 aus den späten 70ern, der erstmals die markante B-Säule zeigte, die sich nun auch beim Porsche 918 Spyder zusammen mit den hinteren Kotflügeln wie eine zweite Haut um die Fahrerkabine spannt.

Unter dem fast klassisch anmutenden Kleid mit Porschetypischer Design-DNA verbirgt sich - unsichtbar, aber gewichtsmäßig ausgewogen verpackt - ein Technik- und Materialarrangement von sprachlos machender Komplexität.

Der Bauplan stammt selbstverständlich aus dem Rennwagenbau: Statt einer selbsttragenden Karosserie kommt hier ein Monocoque inklusive Aggregateträger aus Kohlefaser zum Tragen.
Auf ihm wird die Außenhaut montiert, die mit Ausnahme der stoßgefährdeteren Bug- und Heckverkleidungen gleichfalls aus CFK-Material besteht. Diese Struktur integriert alle drei Antriebsquellen sowie die beiden Energiespeicher.

Das Monocoque des Porsche 918 Spyder beherbergt die vordere Elektromaschine sowie die 138 Kilogramm schwere Batterie und den 70-Liter-Kraftstofftank, der angeschlossene Aggregateträger dahinter den V8-Verbrenner und die hintere E-Maschine mit dem am Ende auf den Kopf gestellten, vom 911 Turbo abgeleiteten Doppelkupplungsgetriebe.

608PS starker Ex-Rennmotor im Porsche 918 Spyder

Seiner gewohnten Hauptrolle als ehedem einziger Antriebsquelle beraubt, sind es fraglos ausschließlich Superlative, die der 608PS starke Ex-Rennmotor ins Feld führt: Mit 132PS pro Liter Hubraum hat der 4,6-Liter-V8 die weltweit höchste spezifische Leistung unter den straßenzugelassenen Saugmotoren und ist mit nur 132 Kilogramm zudem der leichteste V8 mit Top-Pipes.

Der extrem kompakte, mit geringen Schwungmassen und perfektem Massenausgleich arbeitende Verbrenner kommt ohne Nebenaggregate aus, weil die Aufgaben des Anlassers und der Lichtmaschine vom angedockten E-Motor mit übernommen werden. Entsprechend begeisternd ist die Drehfreude, die erst bei sagenhaften 9.150/min ein Ende nimmt. Zum Niederknien auch der nahezu ungefilterte, gemäß seiner Rennvergangenheit geradezu rotzige Klang, der das krasse Gegenteil zum fast lautlosen E-Modus markiert.

Die originellen, über dem versteckten Verbrenner thronenden Top-Pipes verraten, dass die heiße Seite der Zylinderköpfe im Innern des V liegt. Von schädlichen Temperatureinflüssen der Wärmekraftmaschine bleibt die auf ein kühles Umfeld angewiesene Lithium-Ionen-Batterie damit weitgehend verschont.

Leistungsexzesse von ungewohnter Qualität

Angesichts der nicht weniger als fünf separaten Kühlkreisläufe für den Verbrenner, das Getriebe, die beiden Elektromotoren samt Leistungselektronik, die Batterie und die Klimaanlage lässt sich leicht ablesen, dass Temperatur und Tempo hier in einer ganz besonderen Abhängigkeit voneinander stehen.

Die Systemleistung des Porsche 918 Spyder von 887PS und das Kurbelwellen-äquivalente Drehmoment von 1.280 Newtonmetern sind in ihrer Wirkung auf Körper und Psyche vergleichsweise neu. Die Boost-Unterstützung der Elektromotoren ermöglicht nämlich Leistungsexzesse von ungewohnter Qualität. In Sachen Spontaneität und Gleichmäßigkeit dürften sie kaum zu toppen sein, auch von den besten Turbotriebwerken nicht.

Das maximale Drehmoment der beiden elektrischen Antriebe (über 600 Newtonmeter) liegt bereits ab Stillstand an. Der Hochdrehzahl-Saugmotor mit seinem kernigen Drehmoment sorgt schließlich bei höheren Drehzahlen ergänzend dafür, dass der Strom an Vorwärtsenergie in seiner dramatischen Wirkung und Intensität nie versiegt.

286PS Elektro-Power

So ändern sich die Zeiten: Die beiden E-Motoren liefern zusammen mehr Power, als der erste 911 Turbo aus dem Jahr 1974 in Summe an Leistung aufbieten konnte - 286PS. Rein elektrisch betrieben, sprintet der Porsche 918 Spyder in etwas mehr als sechs Sekunden auf 100km/h und bringt es auf eine Spitze von 150km/h. Die Reichweite sinkt dann allerdings schnell auf nur noch kurze Distanzen. Aber keine Bange: Die Batterie wird im Fahrbetrieb, erst recht im sogenannten Hot-Lap-Modus, im Nu wieder aufgeladen. Anschluss an die Steckdose verlangte der Porsche 918 Spyder im Supertest jedenfalls kein einziges Mal.

Die Beschleunigungsattacken im Elektroboost-unterstützten Sport- oder Race-Modus sind bereits ab halbvoll geladener Batterie so heftig, dass man meint, die Trägheit der Masse wäre auf geheimnisvolle Weise außer Kraft gesetzt worden.

Der per Wählhebel in Lenkradnähe initiierte und dann mit entsprechendem Gasbefehl ausgelöste Abschuss aus dem Stand auf Tempo 100 gelingt mit vollem Tank und zwei Personen Besatzung ohne weiteres Zutun in 2,6 Sekunden. Wer mag, kann der Beschleunigungsorgie auch ein halbes Dutzend Mal am Stück frönen - das Material hält dem stand.

Porsche 918 Spyder in 7,4 Sekunden auf Tempo 200

Die 200-km/h-Marke fällt so schon nach 7,4 Sekunden. Tempo 300 ist im ungünstigsten Fall nach nicht einmal 20 Sekunden erreicht. Bei günstig stehendem Wind ist diese Prüfung auch schon mal binnen 18 Sekunden erledigt.

Das sprichwörtlich schwindelerregende Temperament ist das Ergebnis einer elektronisch und mechanisch perfekt abgestimmten Allianz der drei Motoren. Während der hintere wasser- und luftgekühlte E-Motor mit dem Verbrenner auch drehzahltechnisch eine Einheit bildet, wirkt der vordere Elektromotor mechanisch unabhängig von den hinteren Kraftquellen allein auf die Vorderachse.

Seine Höchstdrehzahl erreicht er bei 16.000/min. Das entspricht im höchsten Gang einer Geschwindigkeit von 265km/h. Ab diesem Tempo wird die E-Maschine abgekoppelt, sodass bis zur Vmax (345km/h) allein der Hinterradantrieb aktiv ist. Zwischen dem, was nötig ist und was nicht, entscheidet der Porsche 918 Spyder ohnehin sehr genau - auch in Abhängigkeit von insgesamt fünf Betriebsmodi, die per Map-Schalter am Lenkrad eingestellt werden können. Die gewählte Betriebsstrategie beeinflusst nicht nur das Zusammenspiel der drei Motoren, sondern auch das Schaltprogramm des perfekt arbeitenden PDK-Getriebes sowie die adaptive Aerodynamik.

Sogar das mit einem variablen Druckpunkt aufwartende Gaspedal ist den System-Algorithmen unterworfen. Im Hot-Lap-Modus ist auf der gefühlten ersten Hälfte des Gaspedalwegs nämlich allein der Verbrenner als Leistungsträger hinterlegt, einfach um den E-Boost für jene Streckenstücke aufzusparen, die, wie die Döttinger Höhe, ausnahmsweise einmal Vollgas vertragen.

Ein rekordfähiges Talent also für Spitzenpiloten auf der einen, ein unkomplizierter, mit praktischen Anlagen versehener Alltagssportler auf der anderen Seite. Selbst eigentlich artfremdes, sogar emissionsfreies Wellness-Cruisen bei himmelhoher Kopffreiheit kann genießen, wer es gerade mal nicht so eilig hat. Wo hat es diese extreme Bandbreite schon einmal gegeben?

Supercheck Wertungen

Nürburgring Nordschleife

20

maximal 20 Punkte

7.13min

Acht Runden Nordschleife insgesamt: zwei zum lockeren Kennenlernen, danach mit Abstand fünf weitere Runden mit Verkehr, aber schon mit grober Zeitmessung: 7.30 min - 7.28 min - 7.24 min - 7.25 min - 7.15 min. Die endgültige, ohne Verkehr und per Data Recording aufgezeichnete Runde: 7.13 Minuten. Die sich mit fast jeder Runde einstellende, signifikante Verbesserung ist ein starkes Indiz für die kurze Eingewöhnungszeit, die der immer und überall extrem anschiebende Porsche 918 Spyder fordert. Das Fahrverhalten selbst ist unkritisch - die extrem hohen Tempi sind es naturgemäß nicht. Die hohe Stabilität auch bei starker Entlastung besagt: Hier ist ein echtes Abtriebsauto unterwegs.

Porsche 918 Spyder im Supertest: Der Herr des Rings (1)

Rossen Gargolov

Hockenheim-Ring Kleiner Kurs

20

maximal 20 Punkte

1.06,3min

Aktive Aerodynamik, Allradantrieb, Allradlenkung, Quersperre - der 887 PS starke Technologie-Vorreiter fährt alles auf, was nach Porsche-Duktus schnell macht. Das Handling ist grandios und die Fahrbarkeit perfekt. Obwohl im Alltag alles andere als knüppelhart, gehen Richtungswechsel nur mit geringen (aber für die Rückmeldung notwendigen) Aufbaubewegungen vonstatten. Das Gewicht jenseits der 1,6 Tonnen ist nicht spürbar, fahrdynamisch also nicht relevant. Die Traktion geht dank intelligenter Antriebsmomentregelung an beiden Achsen gegen 100 Prozent. Das Siebengang- PDK-Getriebe ist ein technisches Wunderwerk.

Porsche 918 Spyder im Supertest: Der Herr des Rings (2)

Rossen Gargolov

Beschleunigung / Bremsen

10

maximal 10 Punkte

11,8sek

Zunächst verzögert das Bremsmoment der auf Generator gestellten E-Motoren - um bis zu 0,5 g. Das allein würde für einen Bremsweg von 52 Metern ausreichen. Bis zu 230 Kilowatt Strom wird dabei an die Batterie abgegeben. Erst danach tritt die Keramikbremse zusätzlich in Kraft, und zwar brachial.

Beschleunigung 0-200 km/h:
7,4 s
Bremsen 200-0 km/h:
4,4 s

Windkanal

10

maximal 10 Punkte

Der Luftwiderstandsbeiwert schwankt in Abhängigkeit von der Konstellation der aktiven Aerodynamik-Elemente - ebenso wie die Abtriebswerte, die bei steil gestelltem Heckflügel samt Spoiler und geöffneten Luftklappen im Unterboden naturgemäß am höchsten sind.

Querbeschleunigung

10

maximal 10 Punkte

1,65g

Der Schwerpunkt liegt wegen der E-Maschinen geringfügig höher als beim Carrera GT - etwa zehn Millimeter. Das ändert nichts am Querkraft-Rekordwert, den der Porsche 918 Spyder mit 1,65 g einfährt. Die Reifenformate an Vorder- und Hinterachse sind unterschiedlich: 20 Zoll an der Vorderachse, 21 Zoll an der Hinterachse. Das hilft einerseits die Agilität zu steigern und andererseits die Traktion zu erhöhen.

36-Meter-Slalom

15

maximal 15 Punkte

145km/h

Im 18- und im schnellen 36-Meter-Slalom legt der Hybridsportler fast dasselbe Fahrverhalten an den Tag. Unter Last stellt sich am Limit leichtes Untersteuern ein. Etwas schneller geht's mit bewusst eingespielten Lastwechseln. Diese sollten aber wohldosiert sein, damit die Hinterachse bei deaktiviertem Stabilitätssystem in der Spur bleibt. Zickige Reaktionen sind dem Porsche 918 fremd.

Ausweichtest

15

maximal 15 Punkte

164km/h

Ob das Stabilitätssystem aktiviert ist oder nicht, spielt zeitlich keine große Rolle. Der Gewinn ohne PSM beträgt hier gerade mal 2 km/h; auf der Rennstrecke ist er kaum messbar. Grundsätzlich sollten Übungen wie diese unter Last gefahren werden, denn selbst mit aktivem PSM kann das Heck beim Lupfen etwas aus der Bahn geraten. Die Kontrolle zu behalten, ist aber insgesamt kein Hexenwerk.

Fazit

100 Punktemaximal 100 Punkte

Kritische Anmerkungen mit dem Tenor, dass es ohne den E-Boost sicher auch gegangen wäre, wische ich mit einer Handbewegung locker vom Tisch. Ohne die Hybridtechnik wäre der Porsche 918 zwar um gut 300 Kilo leichter, charakterlich aber nur einer von vielen geworden. Nur schnell sein - das reicht heute nicht mehr. Das grandiose Ergebnis mit Rekordwerten in Reihe und Maximalpunktzahl in allen Disziplinen ist die eine, glänzende Seite der Medaille - locker im E-Betrieb durch die Landschaft zu stromen, die andere.

Technische Daten

Porsche 918 Spyder Mit Weissach-Paket
Grundpreis839.426 €
Außenmaße4645 x 1940 x 1167 mm
Kofferraumvolumen110 l
Hubraum / Motor4593 cm³ / 8-Zylinder
Leistung447 kW / 608 PS bei 8700 U/min
Höchstgeschwindigkeit345 km/h
0-100 km/h2,6 s
Verbrauch3,1 l/100 km

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